villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

hola chicos

Im Verlauf der Kreuzfahrt haben wir uns immer mehr an die komischen Gestalten gewöhnen können und haben gleichzeitig wunderbar stille Oasen auf dem Dampfer für uns entdeckt. Die verschiedenen Aufenthalte in Brasilien waren ab Rio de Janeiro Neuland.

Am Anlegetag in Rio spürte man eine gewisse Spannung, für die meisten Reisenden war dies das Highlight der Schifffahrt. Schon früh morgens spähten die Menschen auf die dunkle Silhouette des Zuckerhutes und der Copacabana, leider blieb es ziemlich dunkel und die Lebensfreude der Cariocas wurde zusammen mit der freudigen Erwartung der Kreuzfahrer weggeschwemmt. Der Schatten des Corcovado Christo blieb im Nebel verborgen und man konnte die Schönheit der Stadt nur erahnen.

Uns war das schnurz, wir freuten uns, nochmals Lidiane und Mario zu treffen, die uns zu einem edlen Lunch ins nostalgischen Cafe Colombia aus dem 19. Jahrhundert einluden. Damit hatte sich ein weiterer Kreis geschlossen, wir trafen Lidiane und Mario am Anfang der Reise in Sao Paulo, dann letztes Jahr mit Villa Venus in Rio und nun zum Abschluss auf der Heimfahrt. Muito Obrigado.

Der nächste Stop hiess Salvador de Bahia, wo in der farbigen Altstadt bis zu 80 % afrikanisch stämmige Brasilianer wohnen. Während die Altstadt mit UNESCO Geldern aufgemotzt wurde, herrscht in den dahinter liegenden Gasse noch immer ziemlich viel Armut und Chaos.

Aber leider kann man bei den kurzen Aufenthalten sowieso nur knapp reinschnuppern, bevor der Kahn mit lautem Gehupe ablegt und dem Ort wieder seinen afrikanischen Rhythmus schenkt.

In Maceio wurden wir magisch von den traumhaften Stränden angezogen und verbrachten dort am Ostersamstag mit tausenden von fröhlichen brasilianischen Familien einen spannenden Strandtag inklusive legendären Kokosnuss mit Strohhalm. Das am Ostersonntag komplett ausgestorbene Recife konnte uns nicht begeistern, dafür das bunte lebendige Olinda (Oh du Schöne) umso mehr. So sehr, dass wir noch freudig durch die herrlichen Gassen schlenderten und die Kirchen begutachteten, während sich unser Luxusschiff schon zum Ablegen aufmachte. Da sich das schnellstens her gepfiffene Taxi mit pensioniertem Chauffeur auch noch verfuhr, wurde es richtig knapp und der indische Security Chef winkte schon von weitem vom letzten offenen Eingang.

Hinter uns wurde nicht nur das dicke Tau gekappt, nein auch der letzte Kontakt zu dem uns ans Herz gewachsener südamerikanischer Kontinent. Einmal mehr standen wir Händchenhaltend mit nassen Augen an der Reling und nahmen Abschied, Adios querido suramerica, nos vemos.

Was dann folgte waren 5 Tage auf hoher See quer über den Atlantik, viel Zeit zum Lesen, Schreiben und Nachdenken. Zum Schlafen eher weniger, da wir immer mehr interessante Gäste entdeckten und so regelmässig an einer der 15 Bars hängengeblieben. Aber schlafen können wir ja dann zuhause.

Ebenfalls konnten wir uns wieder intensiv dem witzigen Traumschiffleben widmen, dass noch ein paar Überraschungen für uns bereit hatte. So gerieten sich zwei besonders motivierte Gesellen wegen eines Liegestuhls in die Haare und der Fitnessraum wurde endgültig zur Plattform für zukünftige grauhaarige Muskelpakete. Die beste Szene dabei, ein gebückter alter Mann greift sich eine Hantel aus dem Sortiment und trägt diese in kleinen wackeligen Schritten zur Fitnesswaage, wo er deren Gewicht überprüft. Danach das gleiche im Rückwärtsgang. Um einen allfälligen Herzstillstand abzuwenden, erklären wir Rambo senior, das ansonsten die Gewichte angeschrieben wären.

Auch die Argentinier in Hawaianas (Flip Flops) haben nun die Laufbänder entdeckt und schaffen es tatsächlich im dramatischen Schnecken Tempo in einer Stunde bis zu 45 Kalorien zu verbrennen. Die Bänder schnaufen richtig erfreut auf, wenn sich eine Gestalt mal unabsichtlich in einen Trab verirrt. Eine grau melierte Dame schleppte zur grossen Freude der gesamten Fitnessensembles Ihren Schalenkoffer hoch und hievte diesen zum Abwägen auf die eh schon angeschlagene Waage.
Unser persönliche Höhepunkt war sicher die vehement vorgetragene Aufforderung eines älteren Paares, dass wir von einem bestimmten Platz am Bug des Bootes aufzustehen haben, da sie sich jeden Tag dort zu dieser Zeit hinsetzen...Aha.

Dank unseren ausgereiften Beziehungen zur deutschen Hostess und dem F&B Manager haben wir einiges über unser 290 Meter langes und 70 Meter hohes Wasserfahrzeug erfahren dürfen. Bei knapp 4000 Gäste, tummeln sich ebenfalls bis zu 1800 Mitarbeiter in den 14 Stockwerken, davon sind alleine 166 als Köche eingestellt. Pro Tag werden somit bis zu 15000 Menüs gezaubert, die zum Teil aus bis zu 7 Gängen bestehen, man rechne mal so im Kopf die Anzahl Teller und Besteck aus. Der Kraftstoffverbrauch pendelt sich zart so bei 14'000 Liter auf 100 Kilometer ein, in etwa die Menge von Villa Venus in 3.5 Jahren. Es handelt sich dabei aber vorwiegend um günstiges Rohöl, Diesel oder Benzin wird nur zur Ein und Ausfahrt im Hafen verwendet. Zudem werden auf der ca. 700 Millionen Euro Schale pro Tag im 24 Stundentakt bis zu 11000 Bade & Strandtücher und 2500 Tischtücher in der eigenen Wäscherei gewaschen...

In Tenerife wurden wir am Hafen von 4 riesigen Smiles empfangen, Nathalie, Cesar, Fabio und Cecilia schenkten uns einen grandiosen Tag auf der leider wolkenverhangenen Insel. Zusammen haben wir vor mehr als 10 Jahren erfolgreich die Hotelplan Fahnen in den Himmel gehalten und beim Nachtleben gemeinsam das Licht in den Clubs gelöscht. Dank dem freudigen Wiedersehen und den bunten leckeren Tapas vergassen wir sogar entspannt den im Nebel versteckten Tejde.

Einen Tag später schallte das Serena Horn von der Insel Madeira und somit von einem Neuland zurück. Nach einer fröhlichen Joggingrunde mit unseren völlig zerfetzten Schuhen in den steilen Gassen Funchals, stärkten wir uns zusammen mit Judith, Carina, Marc und Peter mit einem köstlichen Degenfischfilet. Die lokale Spezialität, der Degenfisch und seine zugehörigen Filets, schwimmen clevere Runden in 800 bis 1500 Meter Tiefe.

Doch die einheimischen Fischer ziehen die schlaue Flosse dennoch mit speziell entwickelten Langleinen an die frische Luft. Gesättigt machen wir uns auf eine geliebte Runde im roten Doppeldecker und vergassen die Zeit in der schönen Umgebung. Der markige Blick unseres Lieblingssecurityinder Shantor und der bereits dynamisch eingezogene Einstiegsschlauch zeigten eine deutliche Sprache zu unserer verspäteten Ankunftszeit. Naja immerhin sind von hier schon Billigfluglinien im Angebot...

Malaga ist dann der letzte Stopp und bietet uns vor allem eine lange Laufrunde an der Strandpromenade. Zum ersten Mal seit langem begegnen wir muffigen schlechtgelaunten Gesichtern, die sich im Morgennebel ins Büro schleppen. Das fängt also schon hier an, das kann ja heiter werden. Trotzdem behalten wir unsere ausgelassene Stimmung und schlängeln uns heute zur grossen Freude der indischen Sicherheitstruppe rechtzeitig und ohne neuerworbenen Flaschen durch die Eingangskontrolle. Langsam aber sicher pochen unsere Herzen deftig emotional dem Eltern Wiedersehen entgegen. In Savona können wir uns an zwei sich um einen Gepäckwagen prügelnden Gästen vorbei sogar eine solche Kofferschubse sichern. Nachdem wir unseren Taschenberg behutsam aufgeschichtet hatten, war der Blick nach vorne versperrt. Glücklicherweise aber auch zu uns, so dass wir als ferngesteuerter schiefer Turm von Pisa an den staunenden Zöllnern vorbei ins Freie huschten.

Dort hatten sich Ankes Eltern mit Ihrem gemieteten Luxustransporter flink die erste Reihe unter den Nagel gerissen und erwarteten uns mit frisch bedrucken Villa Venus T Shirts und Monsterdruggis. (Umarmungen). Ja die Tränen flossen wieder und Worte waren vorerst zweitrangig, diese Momente sind unbeschreiblich, es ist einfach nur gewaltig schön nach so langer Zeit seine Eltern in den Arm zu nehmen. Wir wurden durchgeschüttelt und im Hals steckte einfach nur ein riesiger Klos, der zuerst mal mit Sekt weggespült werden musste. Danach ging alles einfacher und beim gemeinsamen Abendessen später im romantischen Canobio an der italienisch-schweizerischen Grenze fühlten wir uns einfach nur traumhaft glücklich unseren Padres in die verweinten Augen zu sehen.

Nun sind wir bereits einige Tage da und noch immer hält sich die Ankunftseuphorie tapfer mit tollen Begegnungen, spannenden Gesprächen, delikaten Speisen und köstlichem Rotwein am Leben. Zwischenzeitlich macht sich aber auch viel, viel Wehmut breit und wir sind uns durchaus bewusst, dass wir noch lange nicht Angekommen sind. Wir bewegen uns vielmehr wie durch einen Film, der sich täglich mit dem Aufwachen in einer uns so fremd gewordenen Welt von Neuem zu drehen beginnt. Ein Kokon umhüllt uns noch sorgfältig und lässt nur sporadisch das normale Leben in unsere Nähe. So sind wir gefühlsmässig und gedanklich noch weit weg und manchmal müssen wir uns in die Arme zwicken, um uns zu vergewissern, dass das hier nun die Realität ist und bleiben wird.

Oft sorgen wir mit unserer offenen spontanen Art für interessante überraschende Momente in unserem Umfeld aber auch draussen im Film. Die fixen Kulissen werden plötzlich verschoben und wir erhaschen eine Brise feinster Gastfreundschaft und spontaner Hilfsbereitschaft im eigenen Land. Wir bemerken in den ersten Tagen, dass wir mit einem entspannt fröhlichen Zugang auf Menschen jeglicher Art und Alters intuitiv eine angenehme Ambiente schaffen können, die uns an Südamerika und Reisen erinnert. Wir wissen, so lange wir diesen positiven Spirit behalten können und uns von den glücklicherweise sehr wenigen Miesepetrigen nicht beeinflussen lassen, haben wir hier im Heimatland eine Chance. Nein sogar noch mehr, vielleicht können wir ein kleines bisschen von alldem fantastisch gastfreundlich spontan hilfsbereiten warmen Erlebten mit in unsere Welt bringen und damit etwas Positives bewegen. Wenn wir das schaffen, dann haben wir unseren Traum nicht nur gelebt sondern leben ihn aktiv weiter und sprühen davon ein wenig in unseren Gefilden herum. Manchmal haben wir das Gefühl, dass die Menschen nur darauf warten, dass sie eine spontane Aktion, eine Umarmung, ein Lächeln herzlich inspiriert und sie Ihre Geschichte erzählen und Ihre Emotionen zeigen dürfen. Wir bleiben dran.

Nun sind wir am Ende oder vielleicht besser an einem Neuanfang angelangt. Wir wollen uns bei allen treuen Lesern bedanken, dass Ihr uns auch nach über 1200 Tagen nicht einfach vergessen habt. Dass ihr mit uns gelacht und geweint habt und uns auf dieser unglaublichen Reise mit spannenden Inputs, ehrlichen Gefühlen und vielen unausgesprochen und ungeschriebenen Gedanken begleitet habt. Ein Gracias an alle Mitreisenden, die uns auf dem Weg ein kurzes oder längeres Stück begleitet haben und an die unzähligen Menschen in Südamerika, die mit Ihrer unendlichen Gastfreundschaft und Ihrer liebenswürdigen Spontanität diese Reise täglich so wertvoll geprägt haben.

Aber ihr verzeiht uns sicher, wenn wir den letzten Dank unseren Eltern schenken, ohne ihre Unterstützung und Rückhalt wäre unser Traum wohl nie realisiert worden und ohne unsere Erzeuger gäbe es uns ja sowieso nicht.
Und wer weiss, eines Tages stehen wir wieder irgendwo mit verheulten Augen und nehmen winkend Abschied in eine neue Richtung, aber das ist dann wieder eine andere Geschichte...

hasta luego, abrazos gigantes, suerte y paz.
a&t