villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

hola amigos.

...1'555'200 Minuten und 93'312'000 Sekunden, der 21. November 2012, das ist sicher ein super Zeitpunkt, um mal einen speziellen Rückblick zu wagen. Da am gleichen Tag in Bolivien eine strenge Einwohnerzählung stattfindet und man sich deswegen keinen Meter frei bewegen darf (kein Witz, man wird sonst verhaftet), haben wir uns entschieden, den Feiertag dem Anlass entsprechend auf dem einsam spektakulären Salar de Uyuni zu verbringen.

Am 21. November 2009 stiegen wir in den Adler nach Buenos Aires und seither sind wir mit Ausnahme von sechs Wochen Ferien in der Schweiz/Deutschland auf dem südamerikanischen Kontinent am wirbeln. Wir schmunzeln heute, wenn wir daran denken, dass der ursprüngliche Plan nach sechs Monaten einen brüsken Kontenentenwechsel und nach einem Jahr insgesamt das Ende der Reise vermittelt hätte. Wir erinnern uns, wie wir anfänglich zitternd auf den Container mit der Villa Venus drin gewartet haben, wie uns die holländischen & argentinischen Zöllner zur Weissglut brachten und wie wir dann mit Herzklopfen und Glückseligkeit am 14. Dezember 2009 den Hafen von Buenos Aires mit einer schwarzen Bremsspur schnittig verliessen.

Während wir die ersten Wochen in Argentinien und Chile noch einem dynamischen Plan folgten, verblasste dieser wie länger wie mehr, das Tempo wurde gedrosselt und wir lernten bald, dass für unsere Reise die spontanen Erlebnisse, Einladungen, Abenteuer und vor allem menschlichen Kontakte mehr wert sind, als überall gewesen zu sein und alles gesehen zu haben. In 1050 Tagen haben wir auf 83'411 Kilometern die südamerikanischen Länder Argentinien, Chile, Peru, Ecuador, Kolumbien, Paraguay, Uruguay, Brasilien und Bolivien auf geteerten Strassen, holprigen Wegen. Strand, Schlamm, Flussdurchquerungen und vorwiegend staubigen Pisten durchfahren. (wir haben Reisenden getroffen, die haben das Ganze in 3 Monaten absolviert). Wir besitzen 72 Ein- und Ausreisestempel + 2 Touristen Verlängerungsvisa (Ecuador, Brasilien) sowie ein ecuadorianisches Studentenvisum.

Wir spulen monatlich 2417 Kilometer ab oder 79.5 pro Tag. (deutlich weniger, wie Anke, die damals von Beinwil am See nach Zürich pendelte). Dabei waren wir wohl auf der Strecke von Puerto Seguro nach Rio de Janeiro zum Marathon mit knapp 20 Stunden für 1600 Kilometer am schnellsten unterwegs, während die Abkürzung von San Gil über Talardo zum Nationalpark Cocuy in Kolumbien mit 25 Stunden für 260 Kilometer mit einem anderen Rekord besticht.

Insgesamt haben wir circa 11'700 Liter Benzin gebraucht, das bedeutet wir waren sicher um die 600 x Tanken. Das günstigste Benzin gab es dabei mit 50 Rappen (40 Eurocents) in Ecuador und Bolivien (in Venezuela waren wir ja nicht, da würde es 1 Rappen oder Eurocent pro Liter kosten), die teuerste Tanksäule steht mit einem Literpreis von SFr. 1.80 (Euros 1.40) in Uruguay. Das eine funktionierende Tankstellen durchaus ein Luxus ist, haben wir in Patagonien gelernt, wo es auf hunderten von Kilometern einfach nix gibt, in Argentinien, wo gähnende Tankwärter auf den vermissten Tanker warten oder in Bolivien, wo es entweder kein Benzin gibt, die Tankstellen wegen Korruption geschlossen ist, an Touristen kein Kraftstoff verkauft werden darf oder der Preis für Gringos verdreifacht wird, auf jeden Fall fühlen wir uns hier nach jedem erpressten Tankvorgang wie Kleinkriminelle.

Villa Venus ist so zuverlässig wie eine handgefertigte Schweizer Uhr und der Osterstau am Gotthard und hat uns bis jetzt minimale Sorgen bereitet. Zu Ihrem hoch dekorierten Palmares gehören 16 Ölwechsel und 12 Filter, 1 Luftfilter, 6 neue Pneus, 2 Keilriemen, 20 Schutzgummis (nein keine Präservative), 5 Lichtbirnen, 2 Terminals, eine Radiatorabdichtung, 4 Stossdämpfer, 3 halbe Lichtmaschinen, 1 Auspuff mit Katalysator und Vibrationsverschalung, 30 Liter Getriebe, Hydraulik und 4WD Öl, zwei Stangen Schmiere, 4 Zündkerzen, 4 x Vorderbremsen und 1 x Hinterbremsen, 3 Dichtungsringe, 24 Liter Kühlflüssigkeit, ein Wechselrichter, 3 Kabel, eine Anschlussbuchse, 9 mal Dachträger schweissen und eine Woche Urlaub bei Don Ramiro Rostentferner.

Wir werden immer wieder überrascht, wie simpel effizient und vor allem günstig Autoprobleme beseitigt werden, dies obwohl oft die Original Ersatzteile nicht vorhanden sind. Zum Beispiel fahren wir nun mit einer Fiat Uno Lichtmaschine durch die Gegend (Brasilien) oder versprühen unsere Abgase über einen massgefertigten Auspuff aus Paraguay, zudem besitzen wir den wohl Ersten in Südamerika eingebaute anstatt entfernte Katalysator.

Wir verrannten 2 Paar Turnschuhe beim Joggen, Duschten In und Outdoor mit 35 Liter Shampoo, putzten mit 70 verschiedenen Zahnbürsten unsere Zähne, verschleissten ein Notebook, salbten uns mit 22 Liter Sonnencreme ein, verloren 6 einzelne Schuhe (gell Jens) und da wir jeweils zwei Füsse haben, somit auch das Paar und zerstörten 8 chinesische Camping Stühle in allen Farben. Die täglichem Körperpflege, Geschirr spülen sowie das Kleider waschen, findet nicht selten in klaren Flüssen und Seen in der Freien Natur statt, schätzungsweise brauchen wir dafür zusammen im Villa Venus Haushalt 4500 Liter Wasser pro Jahr. Eine warme Dusche touchiert uns eher selten, aber auch mit kaltem Wasser wird man dank Perforieren durch Gänsehaut blitzblank sauber.

Eine Stromrechnung erhalten wir ebenfalls nicht, alle Energie die wir brauchen, erzielen wir mit unsere Solaranlage, die hier im Altiplano auf 4000 m auf Hochtouren dreht, ab und zu schliessen wir Batterien und Geräte an unser Autobatterie an und sehr selten klauen wir mal Strom in einem Hostal oder Camping. Die Technischen Luxusartikel wurden während der Reise drastisch reduziert, so besitzen wir weder Mobiltelefon, GPS (ausser nun im Altiplano dank Silke & Cyrill), Satellitentelefon und Fernseher. Selbst die zur Temperaturmessung verlorene Uhr und der staubaufsaugende Autoradio/CD wurden nicht mehr ersetzt. Natürlich stehen noch ein paar Teile im Schatz der Villa Venus, wir besitzen ein Notebook (Internet, Skype, Buch und Reiseberichte schreiben, Filme anschauen), einen Fotoapparat, 2 selten eingesetzte Ipods, einen Taschenrechner und einen zur Kurzarbeit eingesetzten Wecker mit fehlenden Digitalzellen, ansonsten weckt uns der Sonnenaufgang.

Nach wie vor gehört Essen und Trinken zu unseren Talenten und Haupthobbys, wir spülten in drei Jahren rund 10'000 Liter vorwiegend südamerikanisches Leitungswasser in unsere Kehlen, nippten 35 Kilo heissen Kaffee, verwerteten 360 Liter Milch von fröhlichen Kühen und gönnten uns ca. 400 Flaschen Wein vorwiegend rot ab 13.5 %. Übrigens haben wir in allen Ländern - ausser Ecuador - Weingüter besuchen dürfen und dabei ein paar nette Proben gekippt.

Es wurden 2000 Eier in 3 Minuten, Spiegel, Rühr oder Omeletten verwandelt, 250 Kilo feinstes Rindfleisch brutzelte vorwiegend auf dem Hausgrill, 36 Auffüllpackungen Aromat streuten wir herum, kochten 160 Kilo Pasta auf 0 bis 5000 Meter, wirbelten mit unserer Gabel in 5 Fondues und mussten dabei bis jetzt sieben mal unsere chilenische Gasflasche in vier verschiedenen Ländern andocken.

Unser Tagesbudget (ohne Schweizer Reise, persönliche Reiseversicherung, Hinflug, Villa Venus Container und AHV) beläuft sich für Beide auf knapp SFr. 49.00 / Euros 40.00 pro Tag, resp. SFr. 9'000 / Euros 7'000 pro Person im Jahr. Dabei stellt die Kolonne Diverses mit SFr. 437.00 / Euros 360.00 monatlich den grössten Posten, darin verstecken sich Specials wie Tauchen, Kiten, Exkursionen (auch Mehrtägige), Flüge, Fähren Visa, Eintritte (wo Gringos mit bis zu zehnfachen Preisen abgezockt werden und Anke bei jedem Besuch einen roten Kopf bekommt), Autoreparaturen, Peajes (Autobahngebühren, auch hier roter Kopf), Autoversicherung, Ölwechsel, neue Geräte wie Notebook/Wechselrichter und Kleider.

Unsere Essensorgien bestätigen sich mit dem zweiten Rang in der Liste, wir verspeisen daheim in der Villa Venus SFr. 13.30 / Euros 10.00 pro Tag, auswärts tafeln wir für SFr. 5.70 / Euros 4.50, dabei sind aber viele Kosten aus unseren ersten Villa Venus freien Wochen in Buenos Aires, diese werden wir dann abschliessend sowieso an die Rotterdamer Zöllner weiterbelasten. Das billigste Menü (Suppe, Salat, Fleisch und Pasta) kauten wir in El Alto, Bolivien für SFr. 1.00 / Eurocents 0.80, das teuerste in Rio de Janeiro, Rio Brasa, Edelbuffet mit Austern, Sushi, Parma Schinken und anschliessend Rodizo, 25 Kellner mit verschiedenen Fleischspiessen bis zum Abwinken inklusive einer Flasche Wein (SFr. 75.00 pro Person)

Fürs Schlafen investieren wir SFr. 3.80 / Euros 3.00 täglich, wenn wir jedoch die Buenos Aires Zeit und die karibischen Tage auf San Andres, Providencia und Capurgana abziehen, bleibt knapp nur SFr. 1.00 / 0.80 Eurocent übrig und es zahlt sich aus, dass wir zu 95 % wild campen oder eingeladen werden. Zu guter Letzt tanken wir monatlich für SFr. 350.00 / Euros 280.00 damit wir uns mit der Villa Venus bewegen können.

Was gibt es sonst noch aufzuzählen, wir waren glücklicherweise nie richtig Krank (Holz anfassen) (Anm. der Redaktion Hangover wird nicht erfasst), hatten keinen Unfall weder mit Villa Venus noch mit Kiten, Trekken, Surfen oder anderen Spässen, waren ausnahmsweise mehrmals beim Zahnarzt, dabei war Ecuador das emotionale Highlight, 1 Loch ausbohren, kurieren und Plombe drauf für SFr. 8.00 / Euros 6.00, und es hält heute noch.

Einige Zahlen und Fakten muten wohl exotisch an, wir haben von der einheimischen Bevölkerung im Bezug auf ein glückliches Leben mit weniger materiellem Besitz viel gelernt. Die (unsere) Kommunikation bewegt sich ohne Facebook, Twitter etc. praktisch ausnahmslos auf persönlichen, zeit ungebundenen Gesprächen. Die südamerikanischen Spontanität, die immer vorhandene Hilfsbereitschaft und Zeit für spannende Geschichten haben uns tief beeindruckt und wir hoffen, davon etwas mit in unser zukünftiges Leben hinüber zu tragen,

Wir haben in Anbetracht von ungefähr 5000 sympathischen, hilfsbereiten, lächelnden und liebe Menschen einen Klacks von 30 fiesen, ungehobelten, abweisenden und nervenden Gnomen getroffen und dürfen abschliessend behaupten, dass wir froh sein können, wenn wir es bis ans Ende unserer Tagen schaffen, all die spontan erlebte und erfahrene südamerikanische Gastfreundschaft nur teilweise zurück zu geben.

In diesem Sinne hasta la proxima.
a & t