villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

hola amigos

Nach mehreren Tagen Salar zierte sich Villa Venus mit einer fetten Salzkruste, während wir einfach grundsätzlich etwas salzig schmeckten. So erschien uns das einsam in atemberaubender Bergwelt versteckte Thermalbad von Tica Tica wie eine Oase. Mit Hilfe der Bewohner des freundlichen Dorfes fanden wir das kleine gemauerte Becken unterhalb des farbigen Vulkans nach drei Flussdurchquerungen sogar auf Anhieb.

Das staunen blieb dieses Mal aber vorerst auf der Seite der Ticaticaner, die wohl in diesen Gefilden normalerweise keine Touristen erwarten, nach unserem Betreten verstummte die vorher angeregte Stimmung in der antik römisch anmutenden Anlage. Die Blicke wanderten wie an einer Tennispartie ungeniert zwischen meinem exotischen Bart und Ankes ausserirdisch blondem Haar hin und her. Als wir dann noch unsere Haare wuschen, hätte man eine Stecknagel auf den Boden fallen hören. Erst nach und nach erholten sich die eingefrorenen Mitbadenden und wir erfuhren sogar von einem steilen Wanderweg auf den farbigen heissen Quellen Vulkan.

Kurz vor Sonnenuntergang trabten wir sauber und gut riechend zurück zur Villa, wo bereits ein gutgelauntes Menschengrüppchen auf uns wartete und dabei hoffte einen schnellen kostenlosen Transport zurück nach Tica Tica zu erhaschen. Leider mussten wir die flotte Truppe aber enttäuschen, da wir entschieden hatten, die Nacht in dem zauberhaften Flusstal zu verbringen, um am frühen Morgen den Vulcan Colorado an fetten Kakteen vorbei zu besteigen.

Potosi erwartete uns neben seine berühmten Silberberg mit hektischem Autoverkehr in engen Gassen, da gleichzeitig die Innenstadt wegen eines Minenarbeiterstreiks abgesperrt war und die raren Parkplätze und Hoteleinfahrten für uns unsichtbar blieben, gönnten wir uns eine zweistündige nervenaufreibenden Stadtrundfahrt. Endlich fand sich einen Stellplatz für Villa Venus, wir stellten aber bald fest, dass man selbst als Fussgänger in dieser Stadt ständig gefordert ist, um zweibeinig zu überleben.

Das Centro mit seinen schönen Kolonialbauten und über 80 Kirchen erzählt von der Blühte im 17. Jahrhundert als die Stadt mit 200'000 Einwohnern zu den Grössten der Welt zählte. Heute sind es nur noch knapp über 100'000, geblieben ist aber das Flair einer eher rauen Minenstadt und der von überall ersichtliche schicksalsträchtige Cerro Rico, der die Geschichte der Welt nachhaltig veränderte. Ein Hirt, der einem entwischten Lama hinterher rannte, entdeckte 1544 zufällig eine erste fette Ader, danach ging alles sehr schnell, die spanischen Konquistadoren wähnten sich endlich am Ziel vom gesuchten El Dorado und massakrierten Berg und Bevölkerung in gleichem Masse.

In den dreihundert folgenden Jahren wurden rund 8 Millionen einheimische Indios sowie eingeschleppte afrikanische Sklaven richtiggehend für das Silber in dem heiligen Berg geopfert, dies entspricht in etwa der gesamten heutigen Bevölkerung der Schweiz... Man geht davon aus, dass die abgebaute Menge an Edelmetall für eine silbrige Brücke von Potosi bis nach Madrid gereicht hätte. Aktuell arbeiten noch immer 10'000 selbständige in Cooperativas organisierten Minenarbeiter, die sich Koka kauend, schwitzend oder frierend mit Hacke und Dynamit einen Weg durch den brummenden Berg buddeln.

Die geförderten Mengen an Zink, Silber und sehr selten Gold reichen knapp zum Überleben unter schwierigsten Umständen, fast nie stösst ein fleissiger Arbeiter auf eine so fruchtbare Ader, dass es sein Leben positiv verändert. Ansonsten sind es Stunden unter Tag mit Temperaturen von 5 bis 40 Grad, staubiger Luft zum atmen, der Gefahr von Einstürzen und giftigen Gasen und der Hoffnung auf den grossen Fund. Wir haben uns drei Stunden lang mit Carlos, einem privat kennen gelernten Minenarbeiter durch die engen dunklen Schächte gequetscht, haben seine Kollegen bei der Arbeit beobachtet und mit Ihnen und dem Tio Jorge (der Teufel ist hier unten der Herr der Dinge und wird dementsprechend verehrt) 96 Prozentigen Schnaps getrunken, danach waren wir mehr als froh wieder ans Tageslicht zu kommen.

Die Geschichten der einzelnen Malocher erzählen von Unfällen, Verlust des Augenlichts, Alkoholproblemen, Depressionen oder einem zu frühen Tod, so bleibt das Schicksal des Berges bis heute mit den Menschen von Potosi verbunden. Der Silberberg selber sieht nach 450 Jahren aus wie ein gerupftes Huhn, verwundet, durchhöhlt, zerstört bis in seine tiefste Seele, es ist nach unserer Meinung nur eine Frage der Zeit bis der geschröpfte Kumpel einen letztes mal Aufschnauft, in sich zusammenfällt und dabei nochmals Tausende mit rissigen Händen und russigen Gesichtern mit in den Tod reisst.

Das zwei Stunden entfernte Sucre erschien uns dagegen wie eine Oase, was der Umstand beweist, dass sich die damaligen Minenbesitzer mit Ihren Familien dort in herrschaftlichen Häusern bequem machten. Bis heute ist die angenehme noble Ambiente geblieben, dazu gekommen ist das bunte Studentenleben, schicke Cafes, alternative Kneipen, Museen und das Gefühl einfach immer weiter durch die weisse Stadt zu schlendern.

Da sich Villa Venus plötzlich mit tropfendem Öl und quietschender Kupplung in den Vordergrund drängen wollte, waren wir glücklich Marco, einen ausgewanderten Schweizer zu treffen, der uns mit Javier einen fähigen Mechaniker vorstellen konnte. Seine Worte, wenn ihr Zeit mitbringt, ist der Mechaniker Klasse, schellen uns heute noch in den Ohren. Dazu ein kurze Protokoll der Dinge :
Donnerstag 1600, wir verabreden uns mit Javier für den nächsten Morgen um 0800. Wir rollen uns frühmorgens aus dem Bett und sind pünktlich in der Garage, doch von Javier keine Spur. Freitag 0930 Javier taucht auf und meint ein Autonotfall lasse keine andere Arbeit zu, wir sollen am Nachmittag um 1400 nochmals erscheinen. Wir machen eine Stadtrunde und rauschen um 14.00 wieder an. Freitag 16.30, die erste Schraube wird gedreht und um 1800 ist der Öl Dichtungsring tatsächlich gewechselt. Da die Kupplung zwischenzeitlich wieder still ist (Villa Venus hat wohl Angst vor Javier), verzichten wir auf diesen Einsatz, hören aber erstaunt, dass Javier einen Kollegen hat, der unser flexibles Auspuffteil (war in La Paz nicht vorhanden) reparieren kann.

Da der nur früh morgens arbeitet, machen wir einen Termin für Samstag morgen 0730, wir besuchen ein Konzert vom Kulturfestival und stehen um 2300 vor verschlossener Garagentüre, erst nach Wecken der halben Nachbarschaft und allen dazugehörigen Kläffern findet sich ein Mensch mit Schlüssel. Im Halbschlaf stehen wir Samstag 0730 parat, Javier ist wirklich auch da und verkündet verblüfft, der Auspuffamigo arbeitet aber erst um 0900. Rechtzeitig zur Türöffnung klingeln wir um 0930 beim Kollegen, sein Kommentar ist kurz und bündig, nein so Teile habe ich noch nie gehabt.

1000 wieder beim talentierten Javier, der hat noch einen anderen Kollegen Luis mit Auspufferfahrung, 1030 wir bei Luis, der drückt uns zuerst mal eine Dose Cuba Libre in die Hand, naja der Auftakt stimmt. 1230 Luis hat tatsächlich einen Vibrationsschutz angeschweisst, wir gratulieren Ihm und Javier und geben mit einem neuen knirschenden Geräusch Gas? Luis meint da sei halt Salz im Auspuff, aber das fliegt, schmelzt dann schon weg, wir glauben das jetzt mal einfach so und düsen los. Öl tropft nicht mehr, knirschendes Geräusch ist fast weg, aber kaum raus aus Sucre meldet sich die Kupplung wieder, glücklicherweise nur für ein paar Tage, schauen wir mal. Ende der Geschichte.

In Sucre bleibt man definitiv länger als geplant, vor allem, wenn einem ein Einheimischer wie Marco noch ein paar flotte Tipps auf den Weg gibt und uns dabei mit seiner bolivianischen Frau Ruth um die lebendigen Häuser begleitet. Marco y Ruth muchas gracias por todo.
Das Highlight bietet sicher das sonntägliche Putzfrauen Mittagessen im Edellokal El Huerto, wo wir uns zuerst über ein fantastisches kaltes Buffet wälzen und danach noch 3 Gänge sowie eine Flasche Wein vertilgen. Alles mit Stoffservietten, Kellnern mit Fliege im schattigen Hinterhof Garten eines alten Kolonialhauses...doch Luxus kann auch schön sein.

Nun flüchten wir für unseren dreijährigen Feiertag vor dem bolivianischen Censo (Einwohnerzählung) nochmals auf den Salar de Uyuni, unterwegs kratzen wir an jeder auftauchenden Tankstelle auf kriminellste Weise etwas Benzin zusammen und fahren so parat für eine zweite Altiplano Tour auf das grosse Weiss, doch mehr dazu im nächsten ganz speziellen Kapitel.

Hasta la proxima.
a & t