villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

holà chicos

Aktuell schluckt die villa venus an den chilenischen tankstelle heftig und wir dazu leer, unser budget wird von benzinpreisen um 750 pesos/liter, ca sfr 1.50 heimgesucht. so schaukeln wir jetzt mit samtweichem gaspedaldruck gemächlich richtung norden und sind dabei eher zufällig im pn conguillio gelandet. Hier wütet der zweitaktiviste vulkan in südamerika - vulkan llaima mit 3125 meter - und hinterlässt regelmässig seine spuren in der umliegenden natur, letztmals am 1 januar 2008.
Die ab und zu aufsteigenden schwefelwölkchen seien aber harmlos hat uns der ranger versichert, trotzdem parken wir unseren bus in der lavastromfreien zonen.

Eine niemands-wanderung auf die schulter des weissgezuckerten sierra nevada hat uns den blick für diese spektakuläre landschaft erst richtig geöffnet. Unterwegs treffen wir auf mächtige coigues, die bis 4000 jahre alt und dementsprechend riesig werden und araucarias, welche wie überdimensionierte weihnachstbäume in den stahlblauen himmel stossen.

Hier wird der baum bezüglich seiner form und den klimatischen verhältnissen paragua genannt, was so viel wie regenschirm heisst, wir könnten aber zwischenzeitlich eher eine heizung gebrauchen, bei nächtlich eisigen temperaturen bis minus 3 grand im bus wohlgemerkt nimmt man doch auch gerne mal den fetten daunenschlafsack aus der dachbox. Pinkeln in der sternklaren nacht ist wieder eine mutige heldentat und lange unterhosen sind voll im trend.

Und schon wieder hat sich uns ein vulkan in den weg gestellt - lonquimay - inklusive ausgedehntem schneesportgebiet mit sage und schreibe zwei liften. Nach einer fröstelnden nacht mit scheibenkratzen innen hat uns das probesitzen auf den nostalgisch unbequemen sesseln endgültig in winterstimmung versetzt. Zwecks sommerpause hat dann villa venus den aufstieg analog dem gipfellift erledigt - frühstück auf 2000 meter mit blick auf vulkane und lavalandschaften, besser als schwartau extra!

Über den hachado pass tauschten wir mal wieder chile gegen argentinien, dies war zur abwechslung mal ein belebter grenzübergang und daher stand die zollkontrolle herausgeputzt zu dritt zur durchsuchung vor unserer villa. Anke hat die drei herren dann charmant von ihrer eigentlichen aufgabe abgelenkt, so dass wir die lebensmittel ein weiteres mal in ankes unterwäsche an den zwischenzeitlich herbstlich verfärbten grenzwäldchen vorbei über die grenze schmuggeln konnten.

Bei chos malal bogen wir ab in ein anderes jahrhundert, in dieser region wohnen die leute noch in sehr einfachen verhältnissen ohne strom, telefon und anderem luxus. Die alteingesessenen gauchos sowie die aus chile eingewanderte mapuche indianer leben und kleiden sich in diesen unerschlossenen und schwer erreichbaren tälern traditionell und zweckmässig. Auf den rumpeligen feldsträsschen kommen uns gauchos in gestrickten ponchos, eigentümlichen fellhosen sowie aus tierzähnen und leder gefertigte mokassins mit ihren ganados (viehherden) entgegen. In ihren dunklen von der sonne gezeichneten gesichtern zeigt sich jeweils überraschung und freundlichkeit, wenn wir uns mit der villa venus einen weg durch die rinder und kühe bahnen.

Die gegend ist noch sehr vulkanaktiv und die bizarren steinformationen, die tiefen canyons und die aprupten landschaftswechsel sprechen für eine bewegte naturgeschichte. Dominiert wird der landstrich vom vulkan domuyo 4702 meter, wo der legende nach eine wunderschöne frau mit einem goldenen kamm wohnt, jeder der den vulkan (nicht die frau) besteigen will wird von ihren beschützenden stieren mit felssturz, erdbeben und lawinen bestraft, wir haben daher auf eine besteigung verzichtet...

bei los bolillos finden wir die skurillsten felsen überhaupt, in allen farben und formen haben die vulkane über jahrtausende eine natürliche skulpturengalerie geschaffen.

Einige kilometer weiter folgen wir zu fuss einem abzweiger nach los tachos und enden bei 3 gesyren, wo das wasser ununterbrochen kochend heiss aus der farbigen erde spritzt.

Am ende des zerklüfteten tals auf 1800 meter empfängt uns aguas calientes, der name sagt schon vieles, hier sprudelt aus den wasserfällen der anliegenden felswänden 40 grad heisses glasklares wasser in einen kleinen fluss und plätschert gemächlich durch die einsamen wiesen richtung rio varveco, der sich dann zum rio nequen und schlussendlich zum berühmten rio negro wandelt.

Wir lassen uns nicht zweimal bitten und stürzen uns bei frostigen aussentemperaturen in die heisse naturbadewanne. Dort lehnen wir uns zurück, atmen die unberührte natur ein, blicken in den sternenhimmel und wissen mal wieder, dass wir einfach glückspilze sind...übrigens haben wir über den ganzen tag ausser zwei gauchos niemanden getroffen.

Beim wakeup-bad am nächsten morgen entdecken wir die nächsten geheimnisse dieses mystischen orts, im wasser tummeln sich einerseits kleine ungefährliche würmer, grasgrüne fette algen und eine fliege, die alles kann. Nachdem wir erfreut feststellen, dass die kleinen viecher nicht beissen, beobachten wir die in scharen am heissen bach sitzenden insekten mal genauer. Zuerst glauben wir unseren augen nicht, doch diese fliege ist der knüller. Sie setzt sich auf das wasser und surft auf der wasseroberfläche wie robbie nash über die kleinen wasserfälle. Doch der eigenheit nicht genug, sie taucht unter und bleibt minutenlang bei stärkster strömung ohne bewegung unter wasser, dann taucht sie auf und fliegt praktisch mit dem auftauchen in die luft. Die perforierung ihrer kleinen flügel muss magistral sein, dass wäre mal was für die outdoor bekleidungsbranche.

Beim besuch der 2000 jahre alten steinzeichnungen (pinturas) der pehuenche indianer werden wir vom sohn der ansässigen bauernfamilie - luca 11 jahre - begleitet.

Dadurch lernen wir seine abuela (grossmutter) kenne, die uns als erstes erfreut zwei küsse auf die wangen drückt, später treffen wir maria, sie hütet die kleine schule in diesem abgelegenen tal und kümmert sich aufopfernd um die 7 schüler zwischen 5 und 13 jahren aus den weitläufigen tal. Zum auftakt des schultages wird die argentinische flagge sowie das pronvinzwappen unter fröhlichem gesang gehisst. Nun ist auch die 5 jährige johana eingetroffen, die bei sonnenaufgang von zu hause losläuft, um nach einem zweistündigen fussmarsch rechtzeitig zum unterrichtsanfang in der schule zu sein.

Danach mischen wir uns in die schulstunde und erzählen den gespannten kindern von unserer reise und von unserem heimatland, gleichzeitig lernen wir aus ihrem einfachen leben, ihren legenden und geschichten. Es sind bewegende momente bei diesen kids, für die wir wohl der erste nähere kontakt aus der anderen weltkugelhälfte sind.

Spontan werden wir zum almuerzo (mittagessen) eingeladen, danach verlassen wir die winzige schule von colomichico und hoffen, dass wir vom leben irgendwo in europa eine gute visitenkarte abgegeben haben und das die familien ihren traditionen und lebensweisheiten weiterhin treu bleiben können.

Es sind diese momente einer reise, die man für immer im herzen hütet, diese täler hinter chos malal haben uns gefangen genommen, uns beeindruckt und uns ein bisschen verändert wieder im 21. jahrhundert ausgespuckt.

hasta la proxima
anke&thomas