villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

Reisezeit: November 2009 - April 2013  |  von Anke Betschinger Thomas Schetty

von bolivien und seinen menschen: von nachtrallye, todos santos & tortoraboot.

hola amigos

ein monsterbaum erhebt sich auf dem jorge huegel.

ein monsterbaum erhebt sich auf dem jorge huegel.

Ein letztes erfrischendes Bad im feinen Pool, ein kühles Bier mit Jorge und seinen spannenden Lebensgeschichten und los ging es zusammen mit Backpackerin Simone aus Grabs auf die mit viel Respekt erwartete Nachtrallye durch die Yungas. Doch zuerst brauchten wir noch Benzin, da die einzige Zapfsäule in Rurre eine kilometerlange Warteschlange offenbarte, entschieden wir uns für die zeitlich effektivere Version mit Petflaschen bei gewitzten privaten Anbietern, die nach unserem Besuch allesamt glücklich ausverkauft waren.

aufstieg zum cerro selva geschafft, blick auf den rio beni im dschungel.

aufstieg zum cerro selva geschafft, blick auf den rio beni im dschungel.

der abstieg hat es in sich, anke slidet wie kati witt ueber die wurzeln anstatt uebers eis.

der abstieg hat es in sich, anke slidet wie kati witt ueber die wurzeln anstatt uebers eis.

las yungas abschiedskomite in der villa venus.

las yungas abschiedskomite in der villa venus.

Bis Yucumo schafften wir es noch im Tageslicht, dann verschwand die Sonne hinterm Dschungel und die Nachtsafari konnte beginnen. Überraschenderweise war die Horrorstrecke bei Dunkelheit einfacher zu bestolpern , da man auftauchenden Gegenverkehr am Licht erkennen konnte. Zudem hat man auf der Rückfahrt in den Süden immer Vortritt, sogar die Tanker schieben sich vor Villa Venus in eine Nische am Abgrund... es erklärt nun auch die glutroten Gesichtsausdrücke, als wir bei der Hinfahrt uns öfters mal durch gemogelt haben...Links und Rechtsverkehr wechselt sich wild ab und wir sind immer froh, wenn uns Jemand entgegen kommt und damit die Spur vorgibt. Ab 1 Uhr morgens dösen die beiden Damen entspannt auf Ihren Sitzen, während Don Schetty die wertvolle Fracht nach 14 Stunden Kurven, Abgründen und Steinen kurz vor Sonnenaufgang heil im noch schlafenden Bergdorf Coroico andockt.

ankunft in coroico zusammen mit der sonne.

ankunft in coroico zusammen mit der sonne.

Coroico ist ein beliebter Ausflugsort, das merkt man leider auch, die Gastfreundschaft ist etwas reservierter, dafür die Preise deutlich höher. Trotzdem schnappen wir uns im Hotel Esmeralda schleunigst eine Liege und pflanzen uns an den Pool, die herrliche Ruhe währt leider nicht lange, zwei holländische Paare, die wohl Gran Coroico im Reisebüro mit Gran Canaria verwechselt haben, sorgen mit Brüllaffen Kommunikation und schnittig spritzigen Hechtern und Bomben vom Poolrand aus für feinste Unterhaltung. Wir flüchten auf eine Wanderung zu den bekannten Wasserfällen, die aktuell aber eher nur feuchte, steile Felsen sind, zudem überrascht mal wieder unser geliebtes Bolivien Wanderbuch mit ein paar Überstunden. Da Simone einen Schritt drauf hat, der bei den Olympischen Spielen in London in der Kategorie Gehen eine Medaille gesicherte hätte, gönnen wir uns auf dem Heimweg ein Taxi und anschliessend ein leckeres Asado auf dem Hotelgrill, der natürlich bereits von den aktiven Tulpenbrüdern belagert ist.

abschlusscena mit simone aus grabs.

abschlusscena mit simone aus grabs.

Nach tollen gemeinsamen Momenten verlässt uns Simone in La Paz Richtung Peru und wir dürfen uns nochmals bei Ernesto einquartieren. Obwohl Anke etwas fiebrig in die Welt schaut, machen wir uns auf den Weg nach Sorata, dass sich unter den Eisriesen Illampu und Ancohuma an einen Hang klebt. Es blieb beim Weg, denn ein paar besonders spassige Bolivianer haben im Vordorf von Sorata mit Felsbrocken eine Bloqueo (Strassensperre) errichtet. Eigentlich könnte man im Slalom durch die Hindernissen flitzen, aber die betrunkene Horde mit Steinen und Stöcken in der Hand, scheint uns nicht in bester Gringo Partylaune.

endlich villa venus am titicaca.

endlich villa venus am titicaca.

unsere nachbarn.

unsere nachbarn.

abenstimmung am catari hafen von huatajata.

abenstimmung am catari hafen von huatajata.

Und wie so oft, wenn es anders kommt, kommt es richtig gut, irgendwie landen wir im Dorf Huatajata am Titicacasee bei der Familie Catari in Ihrem kleinen Hostal direkt am See inklusive Lama, Segelboot und abendliches Wundergewitter. Die Cataris vermehren sich vehement im Verlauf des Nachmittags und wir merken, da liegt was in der Luft. Kurz darauf wird uns vom 70jaehrige Max mit Nichte Helena eine Suppe serviert und dort erfahren wir, dass morgen am Dia de todos Santos (Allerheiligen) ein grosse Fest für die im letzten Jahr verstorbene Grossmutter Lucia stattfindet, mit leuchtenderen Augen werden wir von der gesamten Familie für diesen Anlass eingeladen.

wundergewitter ueberm titicacasee.

wundergewitter ueberm titicacasee.

villa venus immer bei sonnenuntergang in bestform.

villa venus immer bei sonnenuntergang in bestform.

alle ziehen am dia todos santos hinauf zu den grabstellen ihrer verwandten.

alle ziehen am dia todos santos hinauf zu den grabstellen ihrer verwandten.

In ganz Südamerika wird an diesem Tag auf dem Cementerio gefeiert, im Gegenteil zu unseren tristen Friedhofsanlässen trifft sich in Bolivien zu den ersten 3 Todesjahrestagen eines Verstorbenen die gesamte Familie, Nachbarschaft und wer sonst noch gerne will (wie wir) beim herrlich farbig geschmückten Grab zum sogenannten Mast'aku. Dabei werden Tonnen von speziell präparierten Broten mit eingebackenen Masken (t'antawawas), Früchte, Süssigkeiten (urphus, misk'i bolas), Quina Cola und natürlich Bier aufgetragen. Jeder der Lust hat, wir dazu eingeladen für die Verstorbenen lautstark zu beten oder zu singen und darf sich dafür als Lohn anschliessend einen Teller voll von der auf dem Grab ausgelegten Ware einpacken. So strömen Hunderte von ärmeren Familien aus der Umgebung über den Friedhof und beten sich die Stimmbänder wund, bis Ihre mitgetragenen Säcke fast aus allen Nähten platzen und für die nächsten Tage die Nahrung im Haus liefern. Beeindruckend wie die indigenen Reichen einmal mehr selbstverständlich mit den Armen freudig teilen.

party auf dem friedhof oder dia todos santos in huatajata mit der familie catari.

party auf dem friedhof oder dia todos santos in huatajata mit der familie catari.

ein gabenteller fuer anke mit t'antawawas (brot mit maske) fuer eine gebetsversion von 'ich schaenke dir mis haerz'.

ein gabenteller fuer anke mit t'antawawas (brot mit maske) fuer eine gebetsversion von 'ich schaenke dir mis haerz'.

Da wir die einzigen Gringos auf dem gesamten Friedhof sind, werden wir von unzähligen uns unbekannten Familien förmlich bekniet, damit wir auch für Ihr totes Familienmitglied beten oder singen. Wir geben uns alle Mühe, sind wir doch nicht wirklich professionelle Beter, aber mit "ich schaenke dir mis haerz" von Zueri West in Schweizerdeutsch erzielen wir Erfolg um Erfolg und unsere Plastiktüte füllt sich gespenstisch schnell und untragbar schwer. Wir werden oft gefragt, ob es bei uns auch so eine Tradition gibt...leider nein, schmunzelnd stellen wir uns vor, wie das wäre, wenn wir wie aktuell in der Schweiz mit einem Becher Bier entspannt auf einem Grabstein sitzen würden...

nebst brot gibt es auch suessigkeiten, fruechte, eis und bier auf dem cementerio.

nebst brot gibt es auch suessigkeiten, fruechte, eis und bier auf dem cementerio.

tonnen von brot und fruechten auf dem grab von lucia catari.

tonnen von brot und fruechten auf dem grab von lucia catari.

Irgendwann wird dann zum Abmarsch geblasen und zusammen mit der Familie laufen wir zu einem grossen Haus mitten im Dorf, wo bereits mitten auf der Strasse aus einfachen Latten und Holzstämmen Bänke aufgestellt sind (und wir mieten das Zeugs immer teuer...wir lernen einmal mehr). Kurz darauf wird als Tischersatz eine blaue Plastikplane zwischen die Sitzenden gelegt und darauf von den Frauen Eimerweise diverse Kartoffeln (Ocas, Guinas, Papas) ausgeschüttet und gleichzeitig verschiedene Teller Suppen serviert. Jedes Familienmitglied brutzelt seine eigene Suppe und ihr könnt Euch sicher sein, man darf alle probieren und wehe ein Teller ist nicht leer, dann schaut einem die betreffende Frau mit Adlerblick zu, bis der letzte Rest ausgelöffelt ist.
Wer denkt, das jetzt die Flasche leer ist, wird von Tonnen aufgetragenen Bananen, Orangen und Biskuits überrascht, es wird nochmals gemeinsam gebetet, alles persönlich eingepackt (wir brauchen zwischenzeitlich eine Kiste für unsere Ware) und es geht zur Verdauung, sprich von eifrigen Damen angebotenen Bierkisten, Säcken von Kokablättern und Zigaretten.

die aermeren leute der anliegenden doerfer treffen ein und singen, beten bis ihre koerbe und tueten voll von essewaren sind.

die aermeren leute der anliegenden doerfer treffen ein und singen, beten bis ihre koerbe und tueten voll von essewaren sind.

helena catari und kati catari weisen uns in die friedhofsregeln ein.

helena catari und kati catari weisen uns in die friedhofsregeln ein.

suppen, kartoffeln, fruechte, das gelage kann beginnen.

suppen, kartoffeln, fruechte, das gelage kann beginnen.

Nachdem die ersten, extrem schnell leergefegten Bierkisten von der feiernden Familie gesponsert werden, liegt es nun an den eingeladenen Gästen weitere Flaschen zu spenden. Gerne stelle ich ein paar Kühle Gelbe in die Runde und werde dafür mit Applaus und danach ständigen Mittrinken belohnt, das kann ja heiter werden. Wie immer entwickeln sich in solchen Situationen spannende Gespräche, wir erfahren von Sohn Erik viel über das Leben am Titicacasee, Evo Morales, La Paz und schlussendlich fast am Spannendsten über die Familie Catari selber. Sein Vater Max ist einer der wenigen übriggebliebenen Tortorabootbauer, dabei wir das im See vorhanden Tortora Schilf getrocknet, gebunden und anschliessend in bis zu 18 Meter lange Schiffe verwandelt.

wahnsinn, wir staunen nur noch und essen eine suppe nach der anderen...und wehe es wird nicht ausgeloeffelt...

wahnsinn, wir staunen nur noch und essen eine suppe nach der anderen...und wehe es wird nicht ausgeloeffelt...

jetzt kommt der hauptgang.

jetzt kommt der hauptgang.

feine gespraeche, viel essen und getraenke...danke erik catari.

feine gespraeche, viel essen und getraenke...danke erik catari.

Wir staunen beeindruckt, als uns Erik erzählt, dass sein Vater mitgeholfen hat, die Ra II von Thor Heyerdahl zu basteln, die dann erfolgreich inklusive 4 Huatajatanern von Marokko bis Barbados gesegelt ist. Zudem paddelte Max zur Eröffnung eines Museums in Chicago mit seinem selbstgebauten kleinen Tortorakanu unter begeisternden Zuschauern durch den Michigan Bay. Erik als studierter Maschinen Ingenieur folgt den legendären Spuren seines Vaters und er erzählt mit glänzenden Augen von seinen Expeditionen mit von der Familie Catari gebauten Booten durch den Titicacasee oder in 44 Tagen von Arica zu den fernen Osterinseln. Wir ziehen den Hut und geben noch ein paar Flaschen Bier aus.

max und erik catari auf dem michigan bay in chicago.

max und erik catari auf dem michigan bay in chicago.

das tortoraboot titi 18 meter lang segelte mit den cataris 25 tage ueber den titicacasee.

das tortoraboot titi 18 meter lang segelte mit den cataris 25 tage ueber den titicacasee.

Bevor wir uns verabschieden werden nochmals Teller von unzählige Früchte verteilt, ein letztes Mal gebetet und dazu eine Suppe serviert. Voller Eindrücke, vollen Magens, voller Backen und voller Kisten Ware verabschieden wir uns von der einzigartigen gastfreundlichen Familie
Catari, Alle stehen sie da mit nochmals leuchtenden Augen und winken uns noch lange nach. Übrigens sind wir auf der Liste für die nächste Tortoraboot Expedition, wer weiss, vielleicht wird mal was draus, von Basel auf Rotterdam (dann können wir uns endlich an den Zöllner rächen) oder auf irgendeinem Weltmeer, zusammen mit den fröhlichen Cataris wäre das auf jeden Fall eine grossartiges Abenteuer.

anke und legende max catari heute 72 jahre alt in der kueche bei der abschlusssuppe.

anke und legende max catari heute 72 jahre alt in der kueche bei der abschlusssuppe.

Hasta la proxima.
a&t

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Die Reise
 
Worum geht's?:
wir lassen uns zusammen mit unserem self-made campervan "villa venus" von wind und gedanken über unseren planeten lenken. erste station südamerika, buenos aires - from there it goes!
Details:
Aufbruch: 21.11.2009
Dauer: 3 Jahre
Heimkehr: 15.04.2013
Reiseziele: Argentinien
Chile
Peru
Ecuador
Kolumbien
Schweiz
Paraguay
Uruguay
Brasilien
Bolivien
Der Autor