villa venus - wer den blick hebt, sieht keine grenzen

hola chicos

Es waren herrliche Tage an der Laguna Garzon, obwohl der heiss erwartete Windpetrus meistens versteckt blieb. Faulenzen, aufs Meer schauen, Lesen aber auch Kisten ausräumen, aussortieren und säubern. Zum ersten Mal wurde uns so richtig bewusst, dass wir kurz vorm Ende eines unglaublichen Lebensabschnitts standen.

Die Laguna war in der Nebensaison bis auf die gutgelaunten von der Sonne gebräunten Fahrmänner, die chilligen Kite Lehrer und Villa Venus ziemlich ausgestorben. Falls mal etwas Wind aufkam, durften wir ganz privat von Tips und Tricks der hiesigen Legenden profitieren, so hoben wir sogar zum ersten Mal so richtig vom Wasser ab. Aber mit einer Ausbeute von 4 Tagen Wind in deren 20 bekamen wir keinen Muskelkater mehr. Irgendwie war das egal, so hatten wir mehr Zeit uns nochmals über die vergangenen Momente zu unterhalten, zu träumen und zu philosophieren. Den Tag X der Abfahrt zögerten wir bewusst bis zum Letzten raus, dann mussten wir trübsinnig endgültig los, blieben aber keine 10 Kilometer weiter südlich schon wieder bei Kiteschulleiterin Laura und Ihrer Familie im tollen Strandhaus hängen.

Das es am ausgewählten Fahrtag wie aus Kübeln schüttete passte perfekt zu unserer Stimmung, Kilometer um Kilometer näherten wir uns mit laufenden Scheibenwischern und ohne grossen Gesprächen Carmelo und dem Villa Venus Schlafplatz. Nun mussten wir langsam Gas geben, in einer wunderbaren melancholischen Stimmung putzten wir den Bus, packten die Taschen und misteten rigoros aus. Unserer Reisetaschen türmte sich bald zu einem der höchsten Hügel Uruguays und wir waren uns bewusst, dass wir uns nach deren Schleppen locker für die nächsten Gewichthebermeisterschaft qualifizieren könnten. Nochmals liessen wir motiviert die Villa Venus Küche aufflammen und Anke zauberte ein leckeres Abschiedsmenü in die staubige Lagerhalle mit tausenden von leeren Flaschen. Wenigstens waren unsere (noch) voll und so feierten wir einen angemessenen Abschied mit leer Schlucken und eher ruhigen gemeinsamen Minuten.

Gegen 2 Uhr morgens hörte der Regen auf und wir fühlten uns berufen, die letzte Villa Venus Nacht draussen in der Natur zu verbringen. Bei sternklarer Nacht parkten wir am mächtigen Rio de la Plata und liessen uns alle samtig schwermütig von der Mondsichel beleuchten. Die Nacht verbrachten wir Beide sehr unruhig, mit den vielen Gedanken im Kopf war an einen gesunden Schlaf nicht zu denken. Beim morgendlichen (letzten) Kaffee mit Blick durch die Venus Scheiben auf Natur und Wasser, sassen wir mit Tränen in den Augen vor der dampfenden Cafetera...es würden nicht die Letzten bleiben. Nun ging glücklicherweise alles sehr schnell, Schiff Tickets kaufen, Taschen fertig packen und schon hupte die Fähre Richtung Buenos Aires ein erstes Mal im Hafen von Carmelo.

Von dem was uns jetzt noch bevor stand, hatten wir uns schon eine Weile mit Gänsehaut gefürchtet, der endgültige Abschied von unserem vierrädrigen treusten Kollegen in den vergangen Jahren. Für Worte blieb kein Platz mehr, wir heulten wie die Schlosshunden um die Wette und nahmen Abschied von Villa Venus und irgendwie auch von einem Traum, einer unglaublichen Reise, eines fantastischen Lebensabschnitts einer unvergesslichen Zeit. Danke Villa Venus, du bist bleibst unsere Beste!

Als wir uns so mit roten Augen anschauten, mussten wir Lachen, was für Gefühle für ein Auto, wir waren überwältigt und erst die bis zu 25 Kilo schweren Taschen rissen uns aus unserer Lethargie. In Buenos Aires angekommen füllten wir ein Taxi bis unters Dach und sassen dem Fahrer praktisch auf der Schoss. Ein paar Stunden später schoben wir im Fleischtempel Siga la Vaca nochmals Gabeln von feinstem Asado in uns hinein.

Der Abschied von Buenos Aires fiel uns schon etwas einfacher, auch wenn das Gepäck mit dem Zukauf von Yerba nochmals aufgepimpt wurde. Dann tauchte das Riesenschiff am Horizont auf und beim Einchecken wurden wir interessiert von den Costa Gepäckmenschen gefragt, wie viele Gäste denn mit uns reisen. Die Antwort 2 war für alle Anwesenden so überraschend, dass wir sogar eine gesamte Kiste Wein in die Kabine schmuggeln durften.

Bei der anschliessenden chaotischen Rettungsübung konnten wir erstmals einen ausgedehnten Blick auf unsere Mitreisenden werfen, die selten ohne Stock oder weisse Haare vorbei humpelten. Wie man sich am Besten bei einer solchen dramatischen Übung verhält, führte uns treffend ein Rudel italienischer Rentner vor, die nach 20 Minuten ungeduldig Ihre bunten Rettungswesten auf die frisch gebohnerten Planken schmissen. Aufgebracht über die vielen Ansagen in verschiedenen Sprachen stürmten sie unter Protest am überraschten Personal vorbei. Das kann ja heiter werden.

Und es wurde heiter. Der Umstand plötzlich von so vielen Menschen. deren Geräuschen und Gerüchen umgeben zu sein war schwer zu verdauen. Nicht einfacher wurde es dadurch, dass unsere Innenkabine natürlich kein Tageslicht offerierte und vorteilhaft am zweiten Abend über der der Mitarbeiterparty lag. Doch die Szenen die sich nun abspielten entschädigten und erinnerten uns täglich an eine Episode vom Traumschiff mit Sascha Hehn und dem Wusuw. Um zwei Uhr morgens öffnet sich die Kabinentür unserer noch unbekannten Nachbarin, sie streckt ihren etwas angeschlagenen Kopf aus dem Spalt und fragt interessiert : "Haben Sie meinen Mann gesehen?". Nachdem sie bemerkte, dass wir diese Frage nur schwer beantworten können, wurde Sie doch etwas ausführlicher. "Er hat seinen Schlafanzug an". Leider konnten wir der Dame trotz der detaillierten Beschreibung nicht weiter helfen und so knallte die Türe wieder zu und die Dame war verschwunden.

Am nächsten Morgen setzen wir uns zum Frühstück an einen Tisch mit zwei rüstigen sympathischen Holländern. Sie bestellt eine Omelette, erhält diese und isst genussvoll. Keine Minute später fragt Sie den Kellner, wann denn nun Ihre bestellte Omelette geliefert wird. Der irritierte Kellner zeigt ausser gross aufgerissenen Augen keine Reaktion. Wir versuchen die freundliche Dame sanft darauf hinzuweisen, dass sie ja Ihre Omelette soeben erst gegessen habe. Doch sie ist nicht zu überzeugen, die Omelette fehlt in Ihrem Kurzzeitgedächtnis und erst das erfreuliche Entdecken der Eierreste auf dem noch warmen Teller gibt dem Konflikt ein friedliches Ende.

Natürlich werden nach alter Tradition Liegestühle schon kurz nach Mitternacht reserviert und die eh schon kurze Jogging Bahn feiert ihre 150 Meter mit trendigen Spaziergängern im unüberwindbaren Viererbund. Wenn dann noch die Intelligentesten den gelben Joggingstreifen als Liegestuhlrampe benutzen wird es richtig spannend, 3000 Meter Steeple wird so rasch zu unserer Lieblingsdisziplin. Im Fitnesszenter warten weitere Highlights auf uns, jeden Tag verklemmen sich von Neuem rüstige Pensionäre/innen in den fiesen Kampfgeräten und/oder werden vom zügigen Laufband von der Piste geweht. Da ebenfalls täglich die Disziplinen grundsätzliches Nörgeln, Buffetanstehschlangeabkürzen, Nichtgrüssen, Tellernahrungsmittelturmbau und Ichwarteschongarnicht auf dem Programm stehen, wird es uns nie langweilig auf dem schwankenden Luxusdampfer. Aber vieles empfinden wir sehr wahrscheinlich so, weil wir viele Menschen auf einem Haufen nicht mehr gewohnt sind.

Ansonsten geniessen wir die herrlichen Schiffstage auf dem tiefblauen Meer. Ja mit einem Glas Rotwein in der Hand auf das endlose weite Blau zu schauen, den Wind in den Haaren zu spüren und die salzige Brise einzuatmen hat Weltklassenformat. Eine warme Dusche mit funktionierendem Duschkopf und der anschliessende Sprung ins riesige Bett mit verschiedenen Kissen ist einfach nur fantastisch. Unterm Sternenhimmel in den Whirlpool zu hüpfen ist unschlagbar.

Bei jeder Gelegenheit Strom und fliessend Wasser zu haben, empfinden wir nach wie vor als Wunder. Zwischenzeitlich kennt uns auch das freundliche, internationale Personal, wo wir vor allem den kolumbianischen Barmann mit seinem breiten Grinsen beschäftigen. Abends schleppen die philippischen Kellner, von unseren Essensorgien überrascht, das komplette Menü mit persönlichen Zugaben an und lassen uns so aktuell eine grosse Kurve um die Waage im Fitnessraum machen. Peter, der Zimmerboy, gibt sich täglich die grösste Mühe an unserer Taschensammlung vorbei, das Zimmer zu putzten und der 2 Meter grosse indische Security Chef Shantor lacht schon von Weitem, wenn wir mal wieder kurz vor Ablegen noch in den Rumpf huschen.

Am Abend bilden wir zusammen mit unseren sympathischen Tischgenossen Christine und Sohn Christoph aus Bayern sowie Klaus und Kristine aus Braunschweig den Grenzbereich zwischen der Schweizer und der Deutschen Delegation. Und ganz ehrlich, die Schweizer sind wirklich die verknöcherteste Truppe auf der wackligen Schüssel, auch wenn sie nun schon etwas aufgewacht sind. Jeden Tag entdecken wir ein neues Highlight auf dem Schiff, durchsichtige Lifte, Schokoladenbar, Formel 1 Simulator und vor allem immer wieder einen neuen bunten Drink. Diesen tragen wir dann abends behutsam auf Deck 12, wo wir alleine romantisch auf der Reling stehen und zusammen mit den dunklen Wellen träumen.

Das Fazit nach einer Woche Kreuzfahrt, wir würden ohne zu überlegen sofort die warme Dusche, den Whirlpool, den Strom, das fliessende Wasser und den Zimmerboy gegen eine Nacht mit Villa Venus irgendwo draussen in der ruhigen Natur eintauschen.

Hasta la proxima